Fachtagung der AGT in Karlsruhe

Tagungsbericht

von RAin Dr. Katharina Weiler, Fachanwältin für Erbrecht, Mediatorin, weiler.legal, Linz am Rhein

Bei frühsommerlichem Wetter fand die 12. AGT-Fachtagung dieses Jahr in der „Residenz des Rechts“ Karlsruhe statt. Genau genommen befanden sich die Tagungsräumlichkeiten des Hotels „Der Blaue Reiter“ in Karlsruhe-Durlach, dem sogenannten „Alten Karlsruhe“, welches mit seinem mittelalterlichen Flair vor und nach der Tagung zum Spaziergang in der Sonne einlud.

Als Hybrid-Veranstaltung bot die 12. Fachtagung neben rund 40 Präsenzteilnehmenden auch über 100 Teilnehmenden aus ganz Deutschland die Gelegenheit, per Live-Schaltung dabei zu sein.

Der Vorsitzende der AGT, Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht und Steuerrecht Eberhard Rott aus Bonn begrüßte die Teilnehmenden zunächst mit einem kurzen Grußwort. Er unterstrich die große Bedeutung qualifizierter Testamentsvollstreckungspraxis, einer sachgerechten Vergütung und interdisziplinärer Zusammenarbeit – Themen, die das Programm der diesjährigen Fachtagung in besonderer Weise widerspiegeln sollte.

Rechtsanwalt am BGH Richard Lindner machte den Auftakt mit einem detaillierten Einblick in einen komplexen Fall zum Thema Testamentsvollstreckung und Haftung. Ausgangspunkt war die Nachlasssituation einer Erblasserin mit einem Vermögen in Millionenhöhe und mehreren Beteiligten mit konträren Interessen, welche der Testamentsvollstrecker in Einklang zu bringen versuchte. Lindner beleuchtete die revisionsrechtlichen Herausforderungen derartiger Verfahren anhand dieses Praxisbeispiels, insbesondere im Hinblick auf die Voraussetzungen einer Nichtzulassungsbeschwerde. Anhand der vorgestellten Fallkonstellation zeigte er auf, wie sich fehlerabhängige und fehlerunabhängige Zulassungsgründe konkret auswirken können – etwa bei der Auslegung testamentarischer Anordnungen oder im Fall der Verletzung rechtlichen Gehörs.

Lindner wies zudem auf die Bedeutung einer sorgfältigen Dokumentation, insbesondere bei der Testamentsauslegung durch den Testamentsvollstrecker, hin und betonte, dass im Revisionsverfahren der juristische Sachvortrag der Vorinstanzen entscheidend bleibe, weshalb darauf von Beginn an geachtet werden müsse.

Den zweiten Vortrag übernahm wieder Rechtsanwalt Eberhard Rott und widmete sich darin den im November 2024 veröffentlichten neuen Empfehlungen des Deutschen Notarvereins zur Vergütung des Testamentsvollstreckers (DNotV-E 2025). Angeregt durch das Vergütungsprojekt der AGT und ihre vorhergehenden drei Anmerkungen zur Fortentwicklung der Testamentsvollstreckervergütung wurden die bisherigen Vergütungsempfehlungen neu strukturiert und modernisiert und lösen nunmehr die „Neue Rheinische Tabelle“ ab, die auch schon zuvor zur Vermeidung von Verwechselungen nicht so genannt werden sollte.

Rott erläuterte die neue Staffelung des Grundbetrags nach Nachlasswerten und die veränderte Zuschlags- und Abschlagssystematik anhand von Beispielen, etwa bei digitalem Nachlass, Stiftungserrichtungen oder Unternehmensnachlässen. Die neuen Empfehlungen des DNotV schaffen laut Rott mehr Klarheit, Nachvollziehbarkeit und Rechtssicherheit – sowohl für die gerichtliche Überprüfung als auch für die Vereinbarung mit den Erben.

Hannah Meier und Marco Müller, beide Bachelor of Arts in Steuern und Prüfungswesen und Testamentsvollstrecker aus Jockgrim, stellten die Vorzüge einer verstärkten Einbindung von assistierenden Mitarbeitern im Bereich der Testamentsvollstreckung vor. Anhand eines detailliert berechneten Praxisbeispiels zeigten sie, wie durch qualifizierte Delegation wesentlicher Aufgaben an Mitarbeitende nicht nur die Bearbeitungskapazität und Geschwindigkeit der Abwicklung gesteigert, sondern auch die Wirtschaftlichkeit deutlich verbessert werden kann.

Die vorgestellten Zahlen belegten eindrucksvoll, dass über 50 % der Gesamttätigkeiten – insbesondere in Bereichen wie Nachlassverzeichnis, Verwaltung, Kommunikation und Rechnungslegung – sachgerecht von Mitarbeitenden übernommen werden können. Sie hoben hervor, dass hierdurch die Rolle des Testamentsvollstreckers sich dahingehend verändern werde, das Projektmanagement entsprechend zu koordinieren und sich auf die zentralen strategischen Aufgaben zu konzentrieren. Durch diese arbeitsteilige Struktur und das professionelle Zusammenspiel im Team ergebe sich für den Testamentsvollstrecker selbst ein rechnerisch deutlich höherer Stundensatz, bei gleichzeitiger Entlastung und Qualitätssteigerung. Das Fazit der beiden Referenten: Strukturierter Mitarbeitereinsatz ist kein Kostenfaktor, sondern wesentliche Voraussetzung für eine moderne und wirtschaftlich erfolgreiche Testamentsvollstreckung.

Rechtsanwalt Dr. Hans Hammann, Fachanwalt für Erbrecht aus Reutlingen, widmete sich dem Behindertentestament mit einem besonderen praxisnahen Ansatz: Anhand eines anschaulichen Vier-Phasen-Modells erläuterte er die typischen zeitlichen Abschnitte solcher Testamentsgestaltungen. So wies er darauf hin, dass zu Lebzeiten beider Eltern zunächst die Errichtung eines wirksamen Behinderten- oder Bedürftigentestaments essentiell sei. Die Hauptelemente eines solchen Testaments bestehen aus der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft bzw. eines Vor- und Nachvermächtnisses sowie einer umfassenden Dauertestamentsvollstreckung mit konkreten Verwaltungsanordnungen.

Nach dem Tod des Erstversterbenden treten sodann in einer zweiten Phase die ersten rechtlichen Wirkungen ein. Der länger lebende Elternteil muss dabei abgesichert, aber bereits zu diesem Zeitpunkt muss auch der Zugriff auf den Pflichtteil durch den Sozialhilfeträger vermieden werden.

Die dritte Phase tritt sodann nach dem Tod des zweiten Elternteils ein, das Behindertentestament entfaltet dann seine volle Wirkung und der Testamentsvollstrecker kann dem behinderten Menschen dennoch bis zu den Freibetragsgrenzen aus dem Nachlassvermögen finanzierte zusätzliche Versorgungsleistungen zukommen lassen.

Nach dem Tod des behinderten Kindes folgt sodann die letzte und vierte Phase, die aus der Zuwendung der Nacherbschaft bzw. des Nachvermächtnisses besteht. Dann ist auf eine möglichst reibungslose und konfliktfreie Abwicklung zu achten.

Hammann betonte, dass der Erfolg solcher Testamente neben einer durchdachten und konkreten Formulierung insbesondere maßgeblich auch von der Kenntnis des Beraters sowie des Testamentsvollstreckers von den sich stetig fortentwickelnden sozialrechtlichen Rahmenbedingungen abhängt.

Isabel Boden, Kunsthistorikerin und Geschäftsführerin von VALUE art+com in Bonn und Berlin, vermittelte den Teilnehmenden daraufhin einen praxisnahen Einblick in die Herausforderungen bei der Bewertung und Verwertung von wertvollen Kunstwerken aus Nachlässen. Mit hoher Fachkenntnis und aus der Perspektive einer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erläuterte Frau Boden anschaulich, wie Kunstgegenstände marktgerecht, steuerlich korrekt und zugleich verantwortungsvoll einzuschätzen sind. Anhand konkreter Handlungsschritte für Testamentsvollstrecker erläuterte sie, welche ersten Maßnahmen bei Kunst im Nachlass zu treffen sind – angefangen bei der Standortklärung über die Sichtung vorhandener Dokumente bis hin zur Inventarisierung. Besonders wies sie auf typische Fallstricke hin, etwa unvollständige Werklisten oder fehlende Nachweise zur Echtheit, Provenienz oder dem Erhaltungszustand der Werke.

Im Spannungsfeld zwischen „Bewahren“ und „Verwerten“ zeigte Frau Boden verschiedene Motivlagen auf – vom musealen oder familiären Interesse bis hin zum Mittel der Finanzierung der Erbschaftsteuer. Die Bewertung von Kunstwerken müsse sich am sogenannten „gemeinen Wert“ (§ 9 BewG) orientieren. Maßgeblich sei dabei der am Todestag erzielbare Marktpreis unter Ausschluss persönlicher Verhältnisse – nicht jedoch Versicherungswerte oder historische Kaufpreise. Wie unterschiedlich dabei Bilder bewertet werden können, die sich für den ungeschulten Betrachter kaum voneinander unterscheiden, zeigte Frau Boden anschaulich anhand dreier Bilder von Pferden mit Reitern, bei denen allein die belegbare Herkunft und Ausstellungsgeschichte über das erheblich unterschiedliche Bewertungsergebnis entschied.

Boden erläuterte, dass ein besonderer Fokus der Bewertung auf den Qualitätskriterien liege, die bei der Evaluation eine tragende Rolle spielen: Authentizität (z.B. Nachweis über Werkverzeichnisse oder anerkannte Experten), Provenienz (etwa durch Ausstellungskataloge oder Kaufbelege) sowie der Zustand (insbesondere bei restaurierten oder beschädigten Arbeiten auf Leinwand oder Papier). Hier sei qualifizierte fachliche Unterstützung für den Testamentsvollstrecker unerlässlich.

Anschließend beleuchtete Boden verschiedene Verwertungsoptionen – Auktion, Kunstmesse oder Private Sale – und stellte deren Vor- und Nachteile dar. So könne etwa die Transparenz einer Auktion hilfreich, die Rückwirkungen eines unverkauften und damit „verbrannten“ Werkes jedoch nachteilig sein. Auch sei der Blick in das Londoner „Art Loss Register“ oder das Magdeburger „Lost Art-Register“ für einen versierten Gutachter unerlässlich, denn eine dubiose Herkunft eines Werkes lässt seinen Wert unverzüglich auf Null sinken.

Der Vortrag sensibilisierte die Teilnehmenden für die hohen Anforderungen an Bewertung und Verwertung von Kunst im Nachlass und unterstrich zugleich die Notwendigkeit spezialisierter Expertise im Rahmen der Testamentsvollstreckung.

Den Abschluss der Fachtagung gestalteten Volker Rojahn, Dipl-Ökonom, Coach und Consultant aus Bunsoh, gemeinsam mit Steuerberater und AGT-Vorstand Peter H. Meier aus Jockgrim mit einem Vortrag zur kurzfristigen Organisation eines Interimsmanagements im Rahmen der Testamentsvollstreckung. Bei diesem bislang wenig beachteten, in der Praxis jedoch höchst relevanten Szenario gilt es für den Testamentsvollstrecker, den plötzlichen Ausfall eines Unternehmers schnellstmöglich abzufangen, um einen Schaden für das in Nachlass befindliche Unternehmen abzuwenden. Der Fokus des Vortrags lag insbesondere auf Beteiligungen an kleinen oder mittelständischen Unternehmen, z.B. Landwirtschaften, Handwerksbetrieben oder Arztpraxen.

Rojahn schilderte typische Problemkonstellationen und Anforderungen an Interimsmanager, während Meier ergänzend organisatorische Abläufe, Auswahlkriterien und Haftungsfragen darstellte. Neben Fachkompetenz und Erfahrung in der Restrukturierung und Nachfolge seien soziale Fähigkeiten, Loyalität und ein gutes Verständnis für familiäre Strukturen im Nachlassumfeld unerlässlich, so Rojahn. Ziel sei stets, eine verlässliche Brücke bis zur langfristigen Lösung zu bauen, beispielsweise die spätere Übernahme durch die Erben oder einen Verkauf des Unternehmens. Besonders hervorgehoben wurde von beiden die Bedeutung verlässlicher Netzwerke, strukturierter Übergaberegelungen und der frühzeitigen Einbindung externer Experten. Die Referenten gaben zahlreiche praktische Hinweise und Hilfsmittel an die Hand sowie den Tipp, bereits vor Eintritt des Erbfalls Kontakt zu erfahrenen Interim-Providern aufzubauen und potenzielle Nachfolgeszenarien vorzudenken.

Ein abschließender Appell richtete sich sodann auch an die Zuhörerschaft selbst: Auch der Testamentsvollstrecker sollte für seine eigene Vertretung im Notfall vorsorgen und durch eine gute Vorbereitung den effektiven Schutz vor Handlungsunfähigkeit im Notfall frühzeitig in die Wege leiten.

Ein spannender Tag neigt sich dem Ende!

Fazit:

Die 12. AGT-Fachtagung 2025 in Karlsruhe war eine rundum gelungene Veranstaltung – geprägt von fachlicher Tiefe, praxisnahen Vorträgen und kollegialem Austausch. Die Referierenden überzeugten durch fachliche Expertise und engagierte und lebhafte Vorträge. Das Hotel „Der Blaue Reiter“ bot nicht nur professionelle Tagungsbedingungen, sondern verwöhnte die Teilnehmenden auch mit ausgezeichneter Kulinarik. Bei strahlendem Wetter lud der historische Stadtteil Durlach zu Gesprächen und Begegnungen auch außerhalb des Tagungssaals ein. Die AGT knüpfte mit dieser Veranstaltung nahtlos an das hohe Niveau der Vorjahre an – die Vorfreude auf weitere Veranstaltungen – z.B. den 19. Deutschen Testamentsvollstreckertag am 14. November 2025 in Bonn – ist bereits jetzt spürbar.